1933: Volksempfänger VE 301 mit kostengünstigem Freischwinger-Lautsprecher

Auf der Berliner Funkausstellung 1933 vom 18. bis zum 27. August („die einzige, die Hitler besucht hat“ [Riedel 1994, 66]) wird der Volksempfänger präsentiert als nationalsozialistisch initiierte Gemeinschaftsproduktion der 28 apparatebauenden deutschen Firmen (aufgelistet in [Riedel 1994, 67]). In den insgesamt sparsam ausgestatteten VE 301 ist als kostengünstiger Lautsprecher ein Freischwinger eingebaut – ein elektromagnetisches System, das klanglich nicht mit den dynamischen Wandlern konkurrieren kann, einen allerdings vergleichsweise hohen Wirkungsgrad aufweist. Der VE könne daher auch für gemeinschaftliche Abhörstellen eingesetzt werden, „wenn es sich um ländliche Bezirke und kleine Räume mit wenigen Personen handelt. […] Diese Empfänger sind überall da verwendbar, wo 0,5 Watt Sprechleistung ausreicht.“ [Wigge 1934, 39]

Preiswerte Rundfunkempfänger für’s Volk vor 1933

Bereits zur 4. Großen Deutschen Funkausstellung 1927 formuliert der damalige Reichspostminister unter technischen und marktwirtschaftlichen Aspekten das Ziel einer gemeinschaftlichen Anstrengung von Industrie und staatlicher Institution, wie es sich Jahre später – ideologisch aufgeladen – die Nationalsozialisten zu eigen machen werden:

Geleitwort des Reichspostministers Dr. Georg Schätzel (BVP):
„Mit leicht zu bedienenden, abstimmscharfen, preiswerten Geräten von gefälligem Äußern, möglichst in Verbindung mit einem guten und billigen Lautsprecher, wenigstens einen bestimmten deutschen Sender und den Deutschlandsender ungestört empfangen zu können, das ist die berechtigte Forderung, auf deren Erfüllung Reichspost und Fachindustrie hinwirken […].“ (zit. nach [Riedel 1994, 27])

Auch der Begriff »Volksempfänger« mit seiner Assoziation eines preiswerten, für jedermann erschwinglichen Rundfunkempfängers und der damit verbundenen Marketingstrategie ist keine nationalsozialistische Erfindung – als „Volksempfangsgerät“ bewirbt schon 1926 die Loewe-Radio GmbH (Berlin) ihr sehr preiswertes, auf den neuen Loewe-Mehrfachröhren basierendes Produkt, das in den zwei Varianten als Orts- oder Fernempfänger erhältlich ist [Holtschmidt 1981, 6] und dem 1926 aktuellen Trend weg vom Kopfhörer- und hin zum Lautsprecherempfang folgt [Riedel 1994, 23]; die Firma Signalbau-Huth bringt 1928 einen „2 Röhren-Volksempfänger“ heraus [Diller in: StRug 3 1983, 140]. Und spätestens Anfang der 1930er Jahre zeichnet sich eine allgemeine, auf die schlechte Wirtschaftslage und geringe Kaufkraft reagierende Tendenz der Radiofirmen ab, ihre Produktpalette nicht nur um neu entwickelte leistungsstarke Geräte zu erweitern, sondern mindestens auch einen preiswerten Empfänger mit reduzierter Ausstattung ins Programm aufzunehmen:

„Zwei Typen sind es in der Hauptsache, für die Bedarf vorhanden ist, und deren Vervollkommnung den Radiofabriken am Herzen liegt: Der billige Volksempfänger, der den Orts- bzw. Bezirks-Empfang bringt, und der selektive Europa-Luxus-Empfänger mit Einknopfbedienung, der bereits jetzt, vor den großen Funkmessen im Herbst, von einigen leistungsfähigen Fabriken in Superhet-Schaltung auf den Markt gebracht wurde.“ (Rubrik „Mitteilungen aus der Industrie“, in: [Rundfunk-Großhändler 4 1932, 97])


Volksempfänger-Werbung
„Dieses Flugblatt wurde in einer Auflage von 15 Millionen Stück durch Postwurfsendung den deutschen Haushaltungen während des Wahlkampfes zugeleitet.“ [AfF 4 1936, 118]
„Aufruf des RDR“ (Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer)
„Der Volksempfänger bedeutet für das geistige Leben unseres Volkes dasselbe wie einst vor fünfhundert Jahren die erste Gutenbergbibel. […]
Wir wollen den Neubau unserer Kultur!
Wir wollen das Wort des Führers bis in den letzten Winkel der deutschen Erde tragen und den Rundfunk in jedes Haus bringen. […]
Wir sind eine Gemeinschaft der Fanatiker, erfüllt von der Idee des Führers und gepackt vom Kulturwunder des Rundfunks, der einem Jahrtausend das geistige Gesicht geben wird. […]“[Hadamovsky in: AfF 3 1934, 83f.]


Volksempfänger-Modelle 1933 bis 1938

„Nur wenige Rundfunkhörer, die sich täglich an den Darbietungen eines Volksempfängers erfreuen, kennen noch den Sinn, der sich in der Typenbezeichnung VE 301 verbirgt. Und doch ist die Mahnung und Erinnerung, die damit an einen der bedeutungsvollsten Tage der deutschen und europäischen Geschichte gegeben wird, auch für Millionen Rundfunkhörer Anlaß zur Dankbarkeit! Volksempfänger 30.1. lautet die volle Bezeichnung der Abkürzung, weil mit der Machtergreifung der nationalsozialistischen Bewegung am 30.1.1933 auch diese Gemeinschaftsleistung erst ermöglicht wurde.“ [Stockhusen 1942, 25]

Typenbezeichnung Jahr Lautsprecher
VE 301 W Volksempfänger für Wechselstrom 1933 Freischwinger G. Fr. 341
VE 301 G Volksempfänger für Gleichstrom 1933 Freischwinger G. Fr. 341
VE 301 B Volksempfänger für Batteriebetrieb mit 4Volt-Röhren 1933 Freischwinger G. Fr. 341
VE 301 B2 Volksempfänger für Batteriebetrieb mit 2Volt-Röhren Freischwinger G. Fr. 341
VE 301 GW Volksempfänger für Gleich- und Wechselstrom 1935 Freischwinger G. Fr. 341
DAF 1011 Deutscher Arbeitsfrontempfänger 1935 ohne integrierten Lautsprecher
DO 36 Deutscher Olympia-Koffer-Empfänger 1936 1936 vermutlich wie DO 37
DO 37 Deutscher Olympia-Koffer-Empfänger 1937 1937 permanent-dynamisch G. Pm 366
VE 301 Wn neuer Volksempfänger für Wechselstrom 1937 verbesserter Freischwinger
VE 301 Wn Dyn neuer Volksempfänger für Wechselstrom mit dynamischem Lautsprecher elektrodynamisch
VE 301 Dyn GW neuer Volksempfänger für Gleich- und Wechselstrom mit dynamischem Lautsprecher permanent-dynamisch G. Pm. 392
DKE 38 Deutscher Kleinempfänger 1938 (Allstrom) 1938 Freischwinger G. Fr. 388
DKE 38 B Deutscher Kleinempfänger 1938 für Batteriebetrieb 1938 Freischwinger G. Fr. 388

VE 301, Der erste Volksempfänger

Volksempfänger-Plakat
„Während der Wahlzeit hing in den Schaufenstern aller Rundfunkfachgeschäfte dieses Plakat, welches den deutschen Volksgenossen das Rundfunkhören zur Pflicht macht.“ [AfF 4 1936, 118]
An einem von Goebbels‘ Propagandaministerium 1933 ausgeschriebenen Wettbewerb zur Konstruktion eines preiswerten Rundfunkempfängers, der den möglichst störungsfreien Empfang eines Ortssenders und des Deutschlandsenders ermöglichen sollte, beteiligten sich Ingenieure der drei Firmen Blaupunkt, Seibt und Telefunken. „Den Zuschlag erhielt der von Otto Grießing, Chefkonstrukteur der Gerätefabrik Dr. Georg Seibt, gebaute Empfangsapparat.“ [Diller in: StRuG 3 1983, 141f.] Im Mai 1933 wurden dann 28 Rundfunkgeräte bauende Firmen und 59 Zulieferbetriebe verpflichtet, zunächst insgesamt 100000 Volksempfänger (VE) in drei Versionen (Wechselstrom, Gleichstrom, Batteriebetrieb) in Kooperation zu bauen. Die Produktion lief am 25.5.1933 an. Zur Berliner Funkausstellung, auf der das Gerät als nationalsozialistisch initiiertes, deutsches Gemeinschaftsprodukt präsentiert wurde, war die erste Serie von 75000 VE 301 W in Kunststoff-Pressgehäuse und 25000 Volksempfänger mit Holzgehäuse für Gleichstrom- bzw. Batteriebetrieb bereits geordert. [Diller in: StRuG 3 1983, 144ff.]

VE 301 B, Volksempfänger für Batteriebetrieb

„Von den Vergünstigungen, die der Volksempfänger bietet, sollte kein Rundfunkfreund in Deutschland ausgeschlossen werden, auch die Volksgenossen nicht, die noch keinen Stromanschluß in ihrer Wohnung besitzen. Deswegen wurde auch ein Volksempfänger für Batteriebetrieb geschaffen.“ [Stockhusen 1942, 34]

VE 301 Dyn, Volksempfänger mit dynamischem Lautsprecher

„Die ersten Volksempfänger-Typen erhielten alle einen besonders dafür entwickelten Freischwinger-Lautsprecher, der den betr. Endröhren angepaßt war und der vorwiegend hinsichtlich einer guten Lautstärke konstruiert war. Die Empfindlichkeit und die Wiedergabegüte des 1937 herausgebrachten VE 301 Wn sind nun schon so gut, daß der Einbau eines dynamischen Lautsprechers zweckmäßig erschien. Damit wurde auch der allgemein bestehende Wunsch nach der besseren Wiedergabe durch einen dynamischen Lautsprecher weitesten Kreisen erfüllbar, denn der VE 301 Wn Dyn ist nicht teurer wie seine Vorgänger.“ [Stockhusen 1942, 69]

DKE 38, Deutscher Kleinempfänger 1938
Während der Volksempfänger bei konstantem Preis (65 RM) inzwischen mit elektrodynamischem Lautsprecher ausgerüstet wird (»VE 301 Wn Dyn« und »VE 301 Dyn GW«), erhält der auf der Funkausstellung 1938 präsentierte Deutsche Kleinempfänger DKE 1938 das veraltete Freischwinger-System, um ihn für äußerst preiswerte 35 RM anbieten zu können.

„Bis zum Jahre 1938 war der Volksempfänger der billigste Rundfunkempfänger für Lautsprecherwiedergabe in Deutschland, und es erschien kaum möglich, ein Gerät mit ungefähr gleicher Leistungsfähigkeit zu einem noch niedrigeren Preise herzustellen. Es bestand jedoch die Tatsache, daß der an sich niedrige Preis der Volksempfänger für viele Volksgenossen noch unerschwinglich war, und die politische Rundfunkführung sorgte – im Bemühen, wirklich jedem Volksgenossen den Rundfunkempfang zu ermöglichen – für die Schaffung eines weiteren Gemeinschaftsempfängers, der weniger als 3/5 des bisherigen Volksempfängers kostet.“ [Stockhusen 1942, 82f.]

DO 36, DO 37, Deutscher Olympia-Kofferempfänge

Olympia-Koffer
„Im Rahmen der Maßnahme ‚Kampf der sommerlichen Hörerabnahme‘ und zur Werbung für das Koffergerät (insbesondere Deutscher Olympiakoffer) bringt die Reichsrundfunkkammer ein Plakat (in der Göße 42 x 59,4 cm Querformat, Sechsfarbendruck) wie obige Abbildung, in einer Auflage von 70000 Stück heraus. Das Plakat gelangt in allen deutschen Gauen zum Aushang.“ [Rundfunkarchiv 5 1938, 207]
Der aus einem von der Wirtschaftstelle Deutscher Rundfunk-Großhändler (WDRG) angeregten Preisausschreiben [Holtschmidt 1981, 92] hervorgegangene Olympia-Kofferempfänger wurde ab 1936 als „tragbarer Empfänger für Reise, Wochenend und Sport“ [Stockhusen 1942, 101] angeboten; Abmessungen des DO 36: 34 x 36 x 11cm, Gewicht 9,35kg. Die verbesserte Version von 1937 zeichnete sich vor allem durch eine im Deckel des Koffers integrierte Rahmenantenne gegenüber dem DO 36 aus, bei dem die Antenne lose beigelegt war und vor Inbetriebnahme zunächst angeschlossen und ausgespannt werden mußte.

„WDRG und Olympia-Kofferempfänger“
„Bekanntlich hatte kürzlich die Wirtschaftsstelle Deutscher Rundfunk-Großhändler (WDRG) ein Preisausschreiben zur Schaffung eines volkstümlichen Kofferempfängers erlassen. Auf Grund dieses Preisausschreibens wird das mit dem ersten Preis ausgezeichnete und entwickelte Gerät nunmehr in Gemeinschaftsarbeit mit der Rundfunkindustrie hergestellt. Auf Anregung des Vizepräsidenten der Reichsrundfunkkammer, Reichssendeleiter Hadamovsky, trägt dieses Gemeinschaftsprodukt der deutschen Rundfunkwirtschaft nach Genehmigung durch die maßgeblichen Stellen die Bezeichnung »Olympia-Kofferempfänger«.
Mit diesem Kofferempfänger wird der Rundfunkempfang im olympischen Jahr sichergestellt. Es soll erreicht werden, daß mit einem billigen und äußerst leistungsfähigen Volksgerät jedermann auch während der Sommermonate, mag er sich in der Sommerfrische, auf Reisen zu Fuß oder im Auto, im Wochenende oder auf seinem Grundstück befinden, Rundfunk hören kann. Damit wird der Olympia-Kofferempfänger zur Belebung des Rundfunkmarktes in den saisonarmen Monaten beitragen und gleichzeitig vielen Volksgenossen den Rundfunkempfang auch außerhalb der Wohnung erleichtern helfen oder überhaupt erst ermöglichen.“ [AfF 6 1936, 180f.]


Volksempfänger
Abb. aus [Stockhusen 1942, 7]
Volksempfänger VE 301 und DKE 1938
(Größenverhältnisse verzerrt)
a. VE 301 G und B
b. VE 301 W
c. VE 301 Dyn
d. DKE 1938
Die Anordnung der Bedienungsknöpfe ist bei allen Volksempfängern gleich: In der Mitte der Drehknopf für die sog. Abstimmung (Stationswähler), links der Knopf zur Antennenkopplung, rechts zur Einstellung der Rückkopplung. Die Lautstärke ergibt sich – in Wechselwirkung mit der Trennschärfe – aus den Abstimmungen von Antennen- und Rückkopplung.


DKE1938
Abb. aus Werbung in [Rundfunkarchiv 7 1938, 382]
Der deutsche Kleinempfänger 1938

ist in seinem einfachen Aufbau ein kleines technisches Wunder. In großer Anzahl werden Preßteile aus Bakelite verwendet. Nicht nur das Gehäuse des DKE ist aus dem Werkstoff gefertigt, sondern auch die Skalenscheibe und andere zum Aufbau notwendigen Einzelteile.
Eines der bekanntesten Werke für diese aus Bakelite gefertigten Einzelteile ist die Firma

Ernst Backhaus & Co.
Kierspe-Bahnhof i. W.“


Schaltbild Deutscher Kleinempfänger, C. Lorenz AG. „Für Fabrikation freigegeben am: 29. April 1938“.
DKE 1938 Schaltbild
Abb. aus [Dominik in: Rundfunkarchiv 7 1938, 296]

„Der linke Teil der VCL 11 ist der Dreipol-(Trioden)Teil und der rechte Teil der Fünfpol-(Penthoden-)Teil. Der Eingangskreis ist als Rückkopplungsaudion geschaltet, dem in Widerstandskopplung die Endröhre folgt. Die Widerstände R 2 und C 6 stellen eine Kompensationsschaltung dar, die unter allen Umständen ein einwandfreies Arbeiten des Gerätes sicherstellt. Mit Hilfe des Widerstandes R 6 kann diese Kompensationsschaltung auf das Brumm-Minimum eingestellt werden.“ [Dominik in: Rundfunkarchiv 7 1938, 296]