1935: Rundstrahler zur Massenbeschallung

Rundstrahler
Abb. aus [Bergtold 1939, 44]
Ab 1935 setzen sich in Deutschland zur Massenbeschallung großer Freiflächen Großlautsprecher in Form sogenannter Rundstrahler immer mehr durch. Nach der sehr erfolgreichen Einführung der rundstrahlenden Pilzlautsprecher von Telefunken 1934 bieten bereits 1935 auch die Konkurrenten eigene Rundstrahler-Modelle an, beispielsweise Graß & Worff (Grawor) und Dr. Dietz & Ritter (Körting).

Rundstrahler […] sind zweckmäßig, wenn mit mehreren Lautsprechern gearbeitet werden soll und sich die von den einzelnen Lautsprechern erzeugten Schallwellen bei Verwendung von Trichtern ungünstig überlagern könnten. Besonders empfehlenswert sind Rundstrahler, wenn sonst Echo auftreten könnte. […]
Der Rundstrahler richtet den Schall – ähnlich wie ein Lampenschirm das Licht – auf eine Kreisfläche, deren Durchmesser mit der Höhe der Aufhängung zusammenhängt. Der Unterschied gegenüber dem Lampenschirm besteht darin, daß der Durchmesser für die Rundstrahler auch von der Leistung bestimmt ist. Als Anhaltspunkt möge dienen, daß ein kleiner Rundstrahler, der mit einer Schalleistung von 10 Watt betrieben wird, einen Kreis mit einem Durchmesser von 50 bis 60m versorgen kann, wozu eine Höhe von etwa 3m gehört, während ein größerer Rundstrahler, der 20 Watt zu verarbeiten hat, bei gleicher Höhe einen Kreis von 70 bis 90m zu besprechen vermag.“ [Bergtold 1939, 44f.]

Rundstrahlende Lautsprecher waren bereits in den frühen 1920er Jahren entwickelt und vermarktet worden. Eugen Nesper, Radiopionier und Kenner der ‚Lautsprecherszene‘ seit Beginn der ‚Radio-Telephonie‘ in Deutschland, listet in seiner Monographie über Lautsprecher von 1925 im Kapitel „Indirekt wirkende Lautsprecher“ mehrere Beispiele auf (siehe [Nesper 1925b: 53-60]).

Rundstrahler Telefunken
Abb. 3 aus [Wigand… 16 1934]
Während sich diese Rundstrahler für den Rundfunkempfang, also für den Heimgebrauch, nicht durchsetzen konnten, war der Ersteinsatz der rundstrahlenden Telefunken-Großlautsprecher zur nationalsozialistischen Riesenkundgebung am 1. Mai 1934 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin ein durchschlagender, richtungsweisender Erfolg. Rundstrahler sollten fortan den Massenkundgebungen im Deutschen Reich ihr elektroakustisches Gepräge geben. Und der Pilzlautsprecher, wie „Die deutsche Weltmarke“ Telefunken ihr erstes Rundstrahlermodell nannte, wurde zum Markenzeichen – sogar auf Telefunken-Schallplatten der 1930er Jahre wurde dieser Großlautsprecher in seiner stilisierten Form aufgedruckt.

Dabei stammte weder die Idee für diese Strahlerart im allgemeinen aus dem Hause Telefunken, noch der spezielle Einfall, diesen Lautsprechertypus als Großlautsprecher zur Massenbeschallung zu nutzen:

Rundstrahler Racon Electric
Abb. 2 aus [Wigand… 16 1934]
„In Abb. 2 ist ein speziell für große Versammlungen von der amerikanischen Firma Racon Electric Co. Inc. entwickelter ‚Rundstrahler‘ gezeigt, der in ähnlicher Weise wie die Stehlampen für indirekte Deckenbeleuchtung den Schall nach allen Seiten gleichmäßig verbreitet. Dieser Lautsprechertyp hat inzwischen in dem auf dem Tempelhofer Feld am 1. Mai 1934 zuerst erprobten Telefunken-‚Pilzlautsprecher‘ (Abb. 3) einen Nachfolger gefunden.“ [Wigand in: Elektroton 16 1934, 724]

Die eigentliche Leistung der Ingenieure aus der elektroakustischen Abteilung bei Telefunken bestand vielmehr darin, die in ihrem Aktionsradius begrenzten Rundstrahler zu kombinieren mit der bereits 1933 entwickelten Strategie der gleichmäßig verteilt aufgestellten Lautsprecher, die nun, vergleichbar mit Straßenlaternen, das zu beschallende Feld gleichmäßig akustisch ‚ausleuchteten‘. Der große Vorteil: Im Gegensatz zu bis dato verwendeten Richtstrahlern, die die Schallwellen nach vorn abstrahlen und in ihrer Reichweite kaum berechenbar sind, konnte mit den Groß-Rundstrahlern, deren Schallfeld relativ genau begrenzt ist, das sogenannte Doppelsprechen und störende Echoeffekte vermieden werden – und dies von nun an auf beliebig großen Feldern. Den Expansionsbestrebungen der Nationalsozialisten waren somit elektroakustisch keine Grenzen mehr gesetzt.

 


Rundstrahler-Aufstellung
Rundstrahler: Alle Rundstrahler (Ampeln und Pilze) strahlen die Schallenergie nach allen Seiten gleichmäßig etwas nach unten geneigt ab. Die Lautstärke bleibt daher innerhalb einer größeren Fläche an jeder Stelle gleich.“ [Telefunken 25 Ela 200, 49]

 


Doppelsprechen

Doppelsprechen: Werden bei einer großen Anlage zwei oder mehrere Lautsprecher an einer Stelle nacheinander gehört (Doppelsprechen), so kann man versuchen, durch Richten der Lautsprecher Abhilfe zu schaffen. Mißlingt dies, so muß man Rundstrahler benutzen.“ [Telefunken 25 Ela 200, 40]

 


Echo

Echo: Echo entsteht, wenn der Lautsprecherschall zurückgeworfen wird, so daß man das Wort zweimal hört. Echo verursachen nicht nur Wände, sondern auch Bäume, ansteigendes Gelände usw.; Abhilfe wie bei Doppelsprechen: Richten der Lautsprecher oder Benutzung von Rundstrahlern.“ [Telefunken 25 Ela 200, 41]

 


Die Konkurrenz Telefunkens im Bereich des Großlautsprecherbaus und der Installation von Beschallungsanlagen war von den Vorteilen der Rundstrahler schnell überzeugt. Wenige Monate später verkündet Grawor (Graß & Worff), laut Eigenwerbung „Deutschlands größte Lautsprecher-Spezialfabrik“, in einer doppelseitigen Werbeanzeige:

Grawor-Rundstrahler
Ausschnitt aus Werbeanzeige in Sondernummer zur Funkausstellung von [Radio-Händler 1935]
Auftakt zur Premiere!
Hiermit startet das neue GRAWOR-Verkaufsprogramm. Es steht im Zeichen der Großübertragungen und des Gemeinschafts-Empfangs. Dementsprechend sind Permanent-Großdynamos, Rundstrahler, Richtstrahler, Mikrofone sowie ein Spezial-Pick-up neu entwickelt worden. Wir werden ferner unsere reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Großübertragungen durch fachmännische Zusammenstellung kompletter Anlagen in den Dienst der Kundschaft stellen. Sämtliche nebenstehend abgebildeten Neuheiten ergänzen das bisherige Fabrikationsprogramm und sind ein Verkaufstip für das Sommergeschäft.“ [Radio-Händler 5 1935, 204f. (doppelseitige Werbeanzeige)]
Abgebildet sind u. a. die vier Lautsprecher-Chassis „Optimus Großdynamo“, „Optimus Permanent“, „Energos Permanent“, „Stadiodyn Permanent“ und ein Rundstrahler in zwei Größen als Lautsprechergehäuse für die oben genannten Lautsprecher-Chassis mit Permanentmagnet.
Und zum 1. Mai 1935 ruft Grawor aus:

Der Siegeszug der GRAWOR-Rundstrahler beginnt
24 GRAWOR-Rundstrahler mit Stadiodyn-Permanent-Lautsprechern und 5 Richtstrahler begeisterten die Massen am 1. Mai auf dem ca. 80000qm großen
Krekower [sic] Feld in Stettin durch kristallklare Wiedergabe der Uebertragung trotz Regen und Schneetreiben. In allen deutschen Gauen wurde am Tag der nationalen Arbeit die Betriebssicherheit der GRAWOR-Großdynamos unter Beweis gestellt. [Radio-Händler 10 1935 (Werbeanzeige)]

Auch die Dr. Dietz & Ritter GmbH aus Leipzig bewirbt bereits im Frühjahr 1935 ihren neuen Körting-Rundstrahler mit eingebautem „Maximus“ (dynamischer Großlautsprecher mit Permanentmagnet), der zur Aufstellung mit Stativ für 525 Reichsmark angeboten wird, in hängender Ausführung zur Befestigung an Decken in Innenräumen (sog. Ampellautsprecher) für 415RM zu haben ist.

Ein wichtiger Fortschritt auf dem Gebiet der Großlautsprecher sind die neuen permanentdynamischen Großlautsprecher, unter denen [Körtings] Maximus P mit Oerstit-Magnet einen besonderen Platz einnimmt. Der permanentdynamische Großlautsprecher ist gerade bei Freiluftveranstaltungen besonders vorteilhaft einzusetzen, weil die Erregerleitungen fortfallen.
Eine andere Neuerung, die Körting zeigt, sind die Ampel-Lautsprecher, die als hängende Rundstrahler oder stehend auf einem Dreibeinständer ausgeführt werden. Gerade in geschlossenen Räumen mit schwieriger Akustik bewähren sich solche Schallstrahleranordnungen besonders.“ [anonym in: Elektroton 5 1935, 245]

Körting-Ampellautsprecher
Ausschnitt aus Werbeanzeige von Körting (Dietz & Ritter) in [Radiohändler 5 1935, 209]
Der Ausschnitt aus einer ganzseitigen Werbeanzeige von Dietz & Ritter im Frühjahr 1935 zeigt den Körting-Rundstrahler, der aufgrund der oben angebrachten Öse zum Aufhängen beispielsweise in großen Innenräumen geeignet war, mittels eines Stativs aber auch zur Aufstellung im Freien genutzt werden konnte.
Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde dieses rundstrahlende Lautsprechergehäuse mit eingebautem Konuslautsprecher auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1935, bewähren konnten sich die Körting-Rundstrahler noch im selben Jahr zum Beispiel beim Erntedankfest auf dem Bückeberg oder dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg (siehe Körting-Werbung 1936).


Telefunken-Ampellautsprecher
Ausschnitt aus Telefunken-Werbung in Sondernummer zur Funkausstellung von [Radiohändler 1935]
Die Telefunken GmbH präsentiert ihre neuen Rundsprecher zum Aufhängen im August 1935 auf der Großen Deutschen Funkausstellung. Eine kleine Ausführung, der 2-Watt-Ampellautsprecher Ela L 66, kostet 80 Reichsmark, das größere Modell Ela L 65 in den Ausführungen mit 5 und 10 Watt kostet 162RM (Preise jeweils nur für das Gehäuse ohne Lautsprecher-Chassis). Zum Vergleich: Der 20-Watt-Pilzlautsprecher, ebenfalls ohne Chassis aber mit Mast, ist für 290RM zu haben.


Lautklinger
Abb. 63 aus [Günther (Hg.) 1936]

»Lautklinger« (1935/36) – Rundstrahler von Becker & Co.
„Einen aus Metall gedrückten, zur Hauptsache trichterförmig gestalteten Rundstrahler, den »Lautklinger« von Becker & Co., der ein recht gleichmäßiges Strahlungsdiagramm über eine größere Fläche besitzt, zeigt Abb. 63.“ [Nesper in: Günther 1936, 44]


Telefunken Tiefstrahl-Ampel
Telefunken-Werbung in [AfF 5 1936, 156]
Telefunken-Tiefstrahl-Ampel
aufgehängt in einer Halle der Rheinmetall-Borsig AG, Berlin Tegel.

Tiefstrahl-Ampel Ela L 612
Metallgehäuse, ca. 40 Kg, 122 cm hoch
Maximalbelastung: 20 Watt

permanentdynamisch (Chassis mit Nawi-Membran): RM 715,—
elektrodynamisch (Chassis: Ultrakraft 20): RM 595,—

(Angaben nach [HbRh 1936/37, 314 u. 334])


Siehe auch: „Also doch: Pilze!“