Auszug aus „Großlautsprechertechnik auf dem Nürnberger Reichsparteitag 1935“

„Die Festfolge des Reichsparteitages sieht eine Anzahl Großveranstaltungen vor, bei denen sich mehr als 100000 Teilnehmer versammeln. Die für diese Aufmärsche bestimmten Plätze, die Luitpoldarena und die Zeppelinwiese, sind deshalb so ausgestaltet worden, daß jeder Festteilnehmer nicht nur seinen Platz findet, sondern auch die Ansprachen, die Sprechchöre und die musikalischen Darbietungen mühelos versteht. Auch auf den anderen Plätzen, dem Stadion, dem Bauplatz der Kongreßhalle, dem Adolf-Hitler-Platz und den Lagern in Langwasser, wo viele Zehntausende zusammengefaßt werden, mußten Lautsprecheranlagen eingesetzt werden. Die Vielseitigkeit des Programms hat hier der Großlautsprechertechnik Aufgaben gestellt, deren Lösung in vieler Beziehung bemerkenswert ist. Selbst für den reibungslosen An- und Abmarsch auf dem Bahnhof Dutzendteich, auf dem die am Reichsparteitag teilnehmenden Einheiten und Verbände eintreffen und wieder verladen werden, mußte die Lautsprechertechnik in den Dienst gestellt werden.

Die Schallverteiler

Je nach dem Charakter der Veranstaltungen wurden Rund- oder Richtstrahler eingesetzt. Auf der Zeppelinwiese und der Luitpoldarena waren Rundstrahler über das Feld verteilt, so daß bei den großen Abmessungen der beiden Plätze an allen Stellen für eine befriedigende Lautstärke gesorgt war. Die schon bekannten Eigenschaften der Rundstrahler: Echofreiheit und einwandfreie Schallverteilung selbst bei starkem Winde, traten auch hier wieder in Erscheinung. Für die Vorführungen des Reichsheeres auf der Zeppelinwiese wurden die Rundstrahler jedoch wieder entfernt, da sie die Truppen bei den Schauübungen behindert hätten. Die Übertragung der Kommandos erfolgte dann über vier Groß-Richtlautsprecher, die vor der Tribüne auf Stahlrohrmasten aufgebaut waren.

Auch die Kundgebung der HJ im Stadion wurde über vier große und zwei kleinere Lautsprecher, die auf dem Dach der Stadiontribüne und seitlich davon angebracht sind, übertragen. Ein störendes Echo ist hier nicht zu erwarten, weil die Entfernung der gegenüberliegenden hochansteigenden Sitzreihen von der Tribüne verhältnismäßig gering ist.

Die Verstärkeranlagen

Auf der Zeppelinwiese, dem Schauplatz der Kundgebungen des Arbeitsdienstes und der Übungen des Reichsheeres, war die Zentrale der Übertragungsanlage in einem Raum im unteren Teil des Tribünenbaues untergebracht. Telefunkeningenieure und Techniker hatten dort eine Verstärkeranlage geschaffen, die den vielseitigen Anforderungen nach jeder Richtung hin gewachsen war. Den prinzipiellen Aufbau der Anlage, allerdings nur mit einer Verstärkerreihe, der Anordnung der Mikrophone und der zu einer modernen Übertragungsanlage gehörigen Signal- und Kontrolleinrichtungen, zeigt der abgebildete Plan. Verglichen mit der Anlage, die beim Reichsparteitag des vergangenen Jahres an gleicher Stelle eingesetzt worden war und über die wir gleichfalls berichtet hatten (siehe ‚Funk‘, 1934, Heft 35), konnte man bemerken, daß trotz erhöhter Anforderungen in bezug auf Sicherheit, Vielseitigkeit, Einsatzbereitschaft und Güte der Übertragung ganz beträchtliche Fortschritte erzielt worden sind, obwohl der Aufwand an Material und Bedienungsmannschaften weiter verringert werden konnte. Sicherheit, die Parole, die bei derartigen wichtigen Übertragungen immer ausgegeben wird, war gewährleistet durch Verwendung von Material und Geräten, die allen Ansprüchen gewachsen waren. Die vorhandenen Kontrolleinrichtungen gestatteten auch, in wenigen Sekunden jeden sich unverhofft einstellenden Fehler örtlich festzustellen und ihn ebenso schnell zu beseitigen.

Im Schaltplan ist die Anordnung der Mikrophone der Tribüne auf der Zeppelinwiese angegeben. Leuchtzeichen zeigten dem Redner an, wenn die Mikrophone zur Besprechung freigegeben waren. Außerdem war jeder Mikrophonstand, mit Ausnahme des Mikrophonstandes, über den der Führer sprach, mit einem Fernsprecher ausgerüstet, so daß eine unmittelbare Verständigungsmöglichkeit mit der Zentrale geschaffen war. An einem Regeltisch konnte der leitende Ingenieur wahlweise die Mikrophone schalten, Schallplatten oder Rundfunksendungen übertragen. Die niederfrequenten Ströme wurden dann vom Regeltisch kommend über Steuerverstärker und die 200-Watt-Endverstärker verstärkt. Für die auf dem Felde vorhandenen etwa 46 Rundstrahler genügte die Leistung von fünf 200-Watt-Verstärkern, während zwei Verstärker der gleichen Einheit in Reserve blieben.

Wie schon vorhin erwähnt, konnten beachtliche Erfolge in bezug auf die Güte der Übertragungen festgestellt werden; sie ließ sich aber nur erzielen durch eine sehr genaue Überwachung der Aussteuerung. Schon bei den Steuerverstärkern wurden die verstärkten Mikrophonspannungen optisch mit Hilfe eines Lichtzeigerinstrumentes (Lichtlineal) und akustisch durch einen Lautsprecher überwacht. Mit Hilfe einer Umschaltvorrichtung konnte auf diese Weise jeder Steuerverstärker laufend einer Kontrolle unterzogen werden. Die Überwachung der Aussteuerung der Leistungsendverstärker erfolgte durch Glimmlämpchen. Auf gleiche Weise wurden die tonfrequenten Ströme nochmals vor der Weiterleitung zu den einzelnen Lautsprechergruppen überprüft. Entzerreinrichtungen und Lautstärkeregler gestatteten die zu übertragenden Darbietungen so einzupegeln, daß eine naturgetreue Wiedergabe gesichert war. Außer durch die Kontrolleinrichtungen wurde die Güte der Übertragung noch subjektiv überwacht. Über eine Kommandoanlage erhielt der leitende Ingenieur der Zentrale laufend Anweisungen über den gewünschten Grad der Lautstärke.

Die Stromversorgung erfolgte aus dem städtischen Netz, doch war, wie stets bei derartig wichtigen Übertragungen, noch ein zweiter Anschluß an ein anderes Netz vorhanden. Die Kontrolle der Netzspannung und der Frequenz geschah durch registrierende Instrumente. Auch die Heizströme der Röhren der Kondensatormikrophone und deren Anodenspannungen wurden dauernd überprüft.

Die Mikrophone

Im allgemeinen kamen Kondensatormikrophone zur Benutzung. Dabei wurden zum ersten Male auch neuartige Kondensatormikrophone verwendet, deren Verstärkerteil tief unten bei der Grundplatte liegt. Die Mikrophonkapsel wird bei dieser Ausführung von einem Stengel getragen.

Für die Vorführungen des Reichsheeres standen Kristallmikrophone zur Verfügung, die so gebaut sind, daß zwar die Sprache des Berichterstatters aufgefangen wird, nicht aber z. B. das Dröhnen der Flugzeugmotoren. Ein solches Kristallmikrophon wird vom Berichterstatter unmittelbar vor den Mund gehalten. Auf diese Weise wird das gesprochene Wort frei von allen unerwünschten Geräuschen eingefangen.

Die Lautsprecheranlage am Bahnhof Dutzendteich

Der Bahnhof Dutzendteich ist für den diesjährigen Reichsparteitag von Grund auf neu gestaltet worden, so daß er den großen Verkehr ohne weiteres bewältigen konnte. Die Reichsbahndirektion hat, dem besonderen Zwecke, dem dieser Bahnhof zu dienen hat, entsprechend, eine Lautsprecheranlage fest einbauen lassen. Jeder Bahnsteig ist mit einer Anzahl Lautsprechern mit Kurztrichter ausgerüstet, während auf dem Bahnhofsvorplatz Pilzlautsprecher stehen. Kommandos oder Anweisungen werden über diese Anlage von der Mikrophonzelle gegeben. Zur Vermeidung von akustischer Rückkopplung ist die Einrichtung getroffen worden, daß das Mikrophon sich selbsttätig abschaltet, wenn die Tür der Mikrophonzelle offensteht. In dieser Zelle ist auch ein Umschalter vorhanden, der es gestattet, nur die Lautsprecher eines betreffenden Bahnsteiges ein- oder abzuschalten. Die Lautsprecheranlage des Bahnhofs Dutzendteich ist bis dahin die erste und einzige in ihrer Art.“ [Mainka in: Funk 18 1935, 583f.]