Auszug aus „Nürnberg“ – Pilzlautsprecher auf dem Reichsparteitag 1934

Pilzlautsprecher„Während die Schlachtenbummler des Reichsparteitages noch in ihren Quartieren schlafen, ertönt im Lager des Arbeitsdienstes Marschmusik, Kommandos erschallen. Noch einmal wird jede Abteilung von ihrem Feldmeister gemustert – denn heute, zum ersten Male im Dritten Reich, soll der Arbeitsdienst vor seinem Führer Zeugnis ablegen für die geleistete Arbeit. In langen Reihen, den Spaten, das Wahrzeichen ihrer Arbeit auf der Schulter, rücken die Kolonnen in die Zeppelinwiese ein. Schon von weitem hören wir die riesenhafte Stimme der Lautsprecher, die die ersten Kommandos in den wolkenverhangenen Morgenhimmel ertönen lassen. Die Gaue werden ausgerichtet, und um Punkt 8 Uhr stehen 52000 Mann des deutschen Arbeitsdienstes vor ihrem Führer. Auf der Ehrentribüne, auf den Wällen, die die Zeppelinwiese umgeben, sind Tausende von Zuschauern herbeigeeilt, um diese Demonstration des nationalsozialistischen Tatwillens zu sehen. Der Führer kommt, ein kurzes Kommando durch die Lautsprecher: Die Spaten über! – und 52000 Spaten sausen unter dem lebhaften Beifall der Zuschauer auf die Schulter. Man sieht es dem Führer an, wie er über diese deutsche Jugend und ihre Disziplin erfreut ist. Und dann tritt er selbst ans Mikrofon, für Tausende unsichtbar, aber seine Stimme, tausendfach verstärkt, dringt aus 42 Pilzlautsprechern bis zu jedem einzelnen Mann im grauen Rock.

Die im Felde und auf den Tribünen verteilten 42 Pilzlautsprecher sind in mehrere Gruppen unterteilt. Jede Gruppe ist einzeln regelbar. Vier 200-Watt-Gestelle geben ihre Energie auf diese Lautsprecher. Nur ein Techniker kann beurteilen, was hier geleistet wurde, dem Laien dagegen erscheint dieses alles, wenn er es sieht, nur als ein Wunder, obwohl es heute schon zu einer Selbstverständlichkeit gehört, daß bei großen Aufmärschen eine Lautsprecheranlage vorhanden ist.

Nur 24 Stunden lag die Zeppelinwiese ruhig und unbeachtet. Während der Arbeitsdienst an seinem Führer in den Straßen Nürnbergs vorbeimarschierte, trafen die endlosen Züge der politischen Leiter in Nürnberg ein. Als bereits die Sonne im Untergehen war, konnte der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Ley, fast 200000 politische Leiter auf dem Zeppelinfeld dem Führer angetreten melden. Noch zahlreicher waren die Tribünen und Wälle von den Zuschauern besetzt. Unter dem grellen Licht der Scheinwerfer marschierten 21000 Fahnen der politischen Organisation in die Zeppelinwiese ein. Gedämpft erscholl aus den Lautsprechern zur Ehrung der Gefallenen das Lied vom guten Kameraden. Dann sprach der Führer zu seinen politischen Soldaten.

Als spät in der Nacht der letzte Gau das Aufmarschgelände verlassen hatte, gab es keine Ruhe für die Männer der Technik, die bereits den ganzen Tag in ihrer stillen Art zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen hatten. Nur wenige Scheinwerfer strahlten noch über das Feld, um den Technikern das Abbauen der im Innenraum des Aufmarschfeldes stehenden Lautsprecher zu ermöglichen. Sogar das gesamte Kabel mußte herausgenommen werden, da am nächsten Morgen die Reichswehr ihre Proben für die Vorführungen unternehmen wollte. Da zu erwarten war, daß die Tribünen und Wälle von Zuschauern stärker besetzt würden, mußte ein Teil der Lautsprecher zur Erzielung einer guten Verständlichkeit bei dem Geknatter der Maschinengewehre und beim Krachen der Geschütze zu den schon vorhandenen angeschlossen werden.

Der Höhepunkt des Reichsparteitages war der Aufmarsch der SA. und SS. vor ihrem Führer in der Luitpoldarena. Bereits am frühen Morgen marschierten die Gruppen aus ihren Lagern heraus zu der innerhalb Jahresfrist neu erstandenen Aufmarschfläche. Wohl mancher der Männer wird überrascht gewesen sein, dieses alte Traditionsgelände in neu entstandener und höchst vollendeter Form vorzufinden. Auch hier war im Gegensatz zum vorigen Jahr die neue Lautsprecherart in Erscheinung getreten, und mancher SA.- und SS.-Mann hat zum erstenmal den Pilzlautsprecher gesehen und gehört. Die Aufmarschleitung der obersten SA.-Führung hatte auf der Ehrentribüne ihre eigenen Kommandomikrofone, um die zahlreichen Bewegungen der aufmarschierten Kolonnen und Fahnen durch die Lautsprecher kommandieren zu können. Für die Zuschauer, vor allem auch für die Ausländer, war es ein überwältigendes Bild, zu sehen, wie die Kommandos, über Lautsprecher gegeben, von den 120000 Mann durchgeführt wurden. Die Ehrentribüne und die vier Seitentribünen sowie das Aufmarschfeld waren mit 45 Pilzlautsprechern bestückt. Die Verstärkerleistung betrug 1200 Watt. Als Aufnahmemikrofone wurden vier Kondensatormikrofone, davon zwei am Ehrenmal zur Übertragung der Heldenehrung, verwendet. Die Rede des Führers wurde aufgenommen durch die Rundfunkmikrofone. Hinter einem Verteilungsverstärker zweigten die Zuführungsleitungen zum Rundfunk und zur Lautsprecheranlage ab.

In Anlehnung an den Rundfunk, der unter erhöhter Funkstufe während des Reichsparteitages arbeitete, waren sämtliche Verstärkerzentralen so aufgebaut, daß eine 100%ige Stromreserve sowie Verstärkerleistung vorhanden war. Es hat sich auch diese Mal wieder gezeigt, daß die an den Pilzlautsprecher gestellten Anforderungen restlos erfüllt wurden. Mit den Pilzlautsprechern von Telefunken wurde eine vom Wind unabhängige Schallverteilung erreicht, die es jedem Teilnehmer ermöglichte, den Reden mühelos zu folgen. Sta“ [Sta. in: Telefunken Nachrichten 1 1934]


Reichsparteitag 1934
Reichsparteitag 1934, Luitpoldhain. Abb. aus [„Nürnberg“ 1935, 89]

synchrone Aufmarsch-Choreographie dank Telefunken-Pilzlautsprechern

Auf dem 1934er Reichsparteitag, „dieser kriminellen Hommage an Bayreuth“ [Schmölders in: „Ganz Ohr“ 2002, 68], überzeugt Telefunkens Beschallungsanlage nicht nur durch gute Klangeigenschaften bei der Übertragung von Ansprachen und Musik. Durch die 45 gleichmäßig verteilten Pilzlautsprecher in der Luitpoldarena [Sta. in: Telefunken Nachrichten 1 1934] können nun auch Choreographie-Befehle nahezu zeitgleich an die ca. 100000 Aufmarschierten gegeben werden, was eine synchrone Kommandoausführung in der von den Nationalsozialisten gewünschten Präzision erst ermöglicht.


Siehe auch: Elektroakustisches Engagement für die Nationalsozialisten.

Zur technischen Entwicklung siehe: Rundstrahler und Telefunkens Strategie der verteilten Aufstellung.