1928, Grau: Hegra-Lautsprecher „Dynamik B 1“ für den Radioempfang

Die im Buchteil des Ausstellungskataloges der 2. westdeutschen Funkschau 1928 als „Besprechungen über Rundfunkfabrikate und -apparate“ deklarierten Aufsätze ohne Autorennachweis stellen im Grunde Werbeanzeigen dar, die offensichtlich im Auftrag der produzierenden Firmen geschrieben wurden. So auch der folgende, der aus dem Umfeld der Firma Hermann Grau, Berlin-Friedrichshagen, stammen dürfte und nach einem allgemeinen Teil über die Vorzüge elektrodynamischer Rundfunklautsprecher den 1928 aktuellen Hegra-Lautsprecher (Chassis) bzw. den Kabinettlautsprecher »Dynamik B 1« bewirbt:

„Naturwahre Rundfunkwiedergabe mit dem elektrodynamischen Lautsprecher.“

„Man muß es unumwunden zugeben: nur der beispiellosen Entwicklung der Lautsprechertechnik ist es zu verdanken, daß der Rundfunk allein in Deutschland zwei und eine halbe Million Teilnehmer gewonnen hat und daß er immer weiter an Ausdehnung zunimmt. Nur die bedeutende Verbesserung der Lautsprecherwiedergabe konnte es ermöglichen, daß auch ausgesprochene Musikkenner Rundfunkfreunde wurden, daß sich Künstler, die bisher jeder elektrischen oder mechanischen Musikwiedergabe abhold waren, zum Rundfunk bekehren ließen. Freilich: der elektromagnetische Lautsprecher allein konnte diese Arbeit nicht leisten; haften ihm doch grundsätzliche Mängel an, die er selbst bei geschicktester Konstruktion und präzisester Ausführung nicht überwinden kann. So werden magnetische Lautsprechersysteme stets eine gewisse Vorspannung aufweisen, die die Entstehung von Obertönen begünstigt und die Vernachlässigung der ganz tiefen und der ganz hohen Töne bewirkt.

Dem elektrodynamischen Prinzip blieb es vorbehalten, hier ganz gründlich Wandel zu schaffen. Beim dynamischen Lautsprecher wird keine eiserne Zunge oder Membran, kein eiserner Anker in Schwingungen gesetzt, sondern hier bewegt sich eine sehr leichte Drahtspule, die sogenannte Schwingspule, im Feld eines kräftigen Elektromagneten. Diese Spule hat keinerlei Resonanzlagen, sie kann einfach keine Eigenschwingungen besitzen […]. Der Schwingspule braucht ferner keinerlei mechanische Vorspannung gegeben zu werden; sie befindet sich lose im ringförmigen Luftspalt des Elektromagneten und nur die Sprach-Wechselströme, die vom Verstärker kommen und die die Spule durchfließen, lösen die Schwingungen aus. Da die Schwingspule an der Konusmembran angebracht ist, werden die Schwingungen auf diese übertragen und auf bekannte Weise in Schall umgesetzt. Die wesentlichsten Bestandteile des dynamischen Lautsprechers sind demnach der Elektromagnet, der die Form eines Topfmagneten hat, die Schwingspule, die sich im ringförmigen Luftspalt des Topfmagneten befindet, und die Konusmembran. […]

Die grundsätzlichen Vorteile des dynamischen Lautsprechers liegen im Fortfall jeglicher Eigenschwingungen wie in der günstigen Arbeitskurve des dynamischen Systems, die eine absolut gleichmäßige Behandlung sämtlicher Frequenzen erzielt. Infolgedessen ist die Wiedergabe des dynamischen Hegra-Lautsprechers ganz bedeutend naturwahrer als die elektromagnetischer Lautsprecher. Dieser wesentlichen Verbesserung, die sehr viel offensichtlicher und von weit stärkerem Grade ist als die Güteunterschiede innerhalb der elektromagnetischen Lautsprecher, ist es zuzuschreiben, daß der dynamische Lautsprecher in den Vereinigten Staaten und in England heute überhaupt vorherrschend ist. Die Bevorzugung des dynamischen Lautsprechers geht dort so weit, daß solche mit magnetischem System überhaupt nicht mehr zählen. Es grenzt ans Wunderbare, und es ist dem Laien zunächst völlig unbegreiflich, wie natürlich der dynamische Lautsprecher Sprache und Musik wiedergibt. Man glaubt hier wirklich die Originalstimme zu vernehmen, vermutet, das Orchester hinter einem Vorhang konzertieren zu hören. Bei Versuchen in einem Theater mit verdecktem Orchester, in dem dynamische Lautsprecher unsichtbar aufgestellt waren, konnten selbst Musikkenner nicht heraushören, ob das Orchester spielte oder man die Musik einer außerhalb des Theaters stationierten Kapelle durch die dynamischen Lautsprecher wiedergab. Selbstverständlich verlangt der dynamische Lautsprecher einwandfreie Verstärker, die auf keinen Fall Verzerrungen bewirken dürfen, denn infolge seiner absoluten Frequenzunabhängigkeit gibt der dynamische Lautsprecher auch alle Fehler und Uebersteuerungen getreulich wieder.

Der elektrodynamische Hegra-Lautsprecher ist gemäß Abb. 1 als einbaufertiges System, und wie aus Abb. 2 ersichtlich unter der Bezeichnung Dynamik B 1 als ein geschmackvoller Kabinettlautsprecher erhältlich; der Anpassungstransformator ist stets in den Lautsprecher eingebaut, so daß der Verstärker keinen Ausgangstransformator erfordert.

Die Wiedergabe des Kabinettlautsprechers ist naturgemäß am besten, da der Kasten als eine nach hinten gezogene Schallwand wirkt, was für die Wiedergabe der tiefen Töne in der ursprünglichen Lautstärke wesentlich ist. Gleichgültig, welches der beiden Modelle man verwendet: stets wird die Rundfunkmusik jedes mechanischen Beigeschmacks entledigt, sie sprüht von unerhörter Natürlichkeit, Wärme und Klangfülle.“ [anonym in: westdeutsche Funk-Schau 1928, 56f.]