1927, Siemens & Halske: Lautsprecher für die Predigten im Kölner Dom

Um die architektonisch bedingt schlechte Sprachverständlichkeit im Kölner Dom zu erhöhen, experimentieren Akustiker und Elektrotechniker von Siemens & Halske Anfang 1927 mit einer verteilten Aufstellung von Großlautsprechern (Blatthallern) in den stark nachhallenden Kirchenschiffen. Die am Ostersonntag schließlich erfolgreich eingesetzte Anlage wird allerdings wieder abgebaut, „da sie anderweit benötigt wird“. [Kölnische Volkszeitung 21.4.1927]

April 1927: Lautsprecher-Versuchsanlage im Kölner Dom mit 10 Blatthallern

„Köln, 15. April 1927. Am Ostersonntag, 9.30 Uhr, findet im Hohen Dom Pontifikalamt des Herrn Kardinals statt mit nachfolgender Ansprache und Erteilung des päpstlichen Segens. Während der Ansprache wird der versuchsweise im Dom angebrachte Lautsprecher in Tätigkeit treten. Ostermontag findet um 9.30 Uhr feierliches Hochamt statt.
Die Lautsprecheranlage im Dom.
Für die Predigt des Herrn Kardinals am Ostersonntag um 10.30 Uhr ist eine besondere Lautsprecheranlage im Dom eingebaut worden. Es handelt sich bei dieser Anlage um einen Versuchsapparat, der wieder entfernt wird. Zunächst sind nur Südteil und Chor des Domes von der Anlage erfaßt. An verschiedenen Säulen sind unauffällig zehn Lautsprecher angebracht, sog. »Blatthaller«, die die Stimme des Predigers in der ihr eigenen Färbung und ohne Nebengeräusche wiedergeben. Der erste Lautsprecher befindet sich etwa 20 Meter von der Kanzel. Im südöstlichsten Seitenschiff sind drei Lautsprecher angebracht. Man hat mehrere kleine Lautsprecher gewählt, weil ein einziger Großlautsprecher nicht die Gewähr für deutliche Uebertragung des gesprochenen Wortes bietet. An der Kanzel befindet sich ein Mikrophon, das die Worte des Predigers aufnimmt. Weitergeleitet werden diese über einen Verstärker durch ein Kabel zum Endverstärker, der sich im Nordturm befindet. Wie Dompropst Dr. Middendorf mitteilte, waren die bisherigen Versuche vollständig befriedigend, und auch eine gestern abend vorgenommene Probe fiel glänzend aus. In jeder Ecke des Südteils und Chores waren alle Worte des Predigers vollkommen einwandfrei zu hören. Hoffentlich wird die endgültige Anlage, für die 22 Lautsprecher vorgesehen sind, nicht allzu lange auf sich warten lassen.“ [Kölnische Volkszeitung 16.4.1927]

Großlautsprecher-Blatthalleranlage – vollkommen verzerrungsfreie Wiedergabe

Die Lautsprecheranlage im Dom. Am Ostersonntag wurde im Dom die Predigt des Herrn Kardinals Schulte und die des Herrn Weihbischofs Hammels durch die versuchsweise eingebaute Lautsprecheranlage verstärkt. Die in den südlichen Seitenschiffen, dem Querschiff und dem Mittelschiff eingesetzten Lautsprecher brachten vollen Erfolg. In allen diesen Teilen des Domes war die Predigt Wort für Wort und klanggetreu zu verstehen. Im Chor war vorläufig nur ein einzelner großer Lautsprecher eingesetzt; dieser wirkte noch zu laut, so daß sich Nachhallwirkungen bemerkbar machten. Die Wirkung dieses Lautsprechers war einem mit Zuhörern ganz gefüllten Raume angepaßt, während in Wirklichkeit das Chor verhältnismäßig schwach besetzt war. Es wird sich diese Unvollkommenheit später leicht beseitigen lassen; es dürfte sich empfehlen, auch im Chor mehrere kleine Lautsprecher mit nicht zu großer Einzelstärke zu verwenden. Welch große Vorteile das Prinzip weitgehender Unterteilung bietet, haben gerade die guten Leistungen der Anlage in den übrigen Teilen des Domes gezeigt. Die Anlage muß zunächst wieder abgebaut werden, da sie anderweit benötigt wird.
Zur Erläuterung der Anlage wird uns noch geschrieben: Die Wiedergabe der menschlichen Stimme geschieht mittels mehrerer Großlautsprecher, die nach Art ihrer Gestaltung den Namen Blatthaller führen. Die Konstruktion der Lautsprechermembrane ist von der Firma Siemens u. Halske so durchgeführt, daß sie entgegen den bisherigen auf dem Markt befindlichen Rundfunk-Lautsprechern eine vollkommen verzerrungsfreie Wiedergabe gewährleistet. An ein Pertinaxblatt oder auch ein gewelltes Aluminiumblech ist ein sprechstromdurchflossenes Kupferband isoliert angenietet, das in ein permanent oder fremderregtes Magnetfeld eintaucht. Dadurch, daß durch dieses Kupferband der von der Verstärkeranlage kommende Sprechstrom hindurchgeschickt wird, wird die elektrische, akustische Eigenschaft der Membrane oder Fläche bedingt. Das Kupferband dient gleichzeitig als Versteifung, so daß ein Durchbiegen der Membrane nicht möglich und jede nicht gewünschte Frequenz beseitigt worden ist. Der Sprechstrom kommt von einer Verstärkeranlage, die mit kapazitiver Widerstandskopplung mehrere Spezialröhren auf zwei Endröhren in Gegentaktschaltung von je 400 Watt Leistung arbeitet. Die Art der Kaskadenschaltung gewährleistet eine einwandfreie frequenzunabhängige Verstärkung, so daß keine Sprechverzerrungen innerhalb des Verstärkers auftreten können. Die Aufnahme der menschlichen Stimme geschieht durch ein neuzeitliches Kondensatormikrophon, das in seiner Arbeitsweise aus einem kleinen Röhrensender und Empfänger, eingebaut in einem Metallkasten, besteht. Durch diese Anordnung wird erreicht, daß nicht wie bisher dem auch im Rundfunk üblichen Kohlekörnermikrophon ein Strom verändert wird, es werden vielmehr bei diesem Mikrophon die akustischen Wellen direkt in gleichfrequente elektrische Schwingungen umgeformt. Bei der gesamten Durchbildung der Lautsprecheranlage ist gerade auf die Wiedergabe der persönlichen Stimmfärbung des Sprechers größter Wert gelegt. Wie die Versuche gezeigt haben, ist dieses Ziel bei der Großlautsprecher-Blatthalleranlage voll und ganz erreicht.“ [Kölnische Volkszeitung 21.4.1927]

Ausbau der Lautsprecheranlage im Dom
„Es ist ein bekannter Übelstand, daß der Dom neben seiner Größe, die das Verstehen der Predigt in entferntern [sic] Bänken von der Kanzel nahezu unmöglich macht, auch noch eine Hallwirkung hat, die in den Gängen neben dem Hauptschiff ebenfalls störend auftritt. Um diesem Übelstand abzuhelfen, hat man in letzter Zeit eine Lautsprecheranlage versuchsweise eingebaut. Nachdem sie sich für einen Teil des Doms bewährt hat, ist man nun dazu übergegangen, den ganzen Dom, also nicht nur das große Schiff, das Chor, auch die Seitengänge und Seitenkapellen mit Lautsprechern nach dem Blatthallersystem auszubauen. Man hat wegen der erwähnten Hallwirkung davon abgesehen, nur einen großen starken Lautsprecher anzubringen, sondern hat eine gewisse Anordnung kleiner Lautsprecher für praktischer gehalten. Bei der Probe, die gestern abend war, war jedes Wort der Predigt selbst in ganz entfernten Winkeln deutlich zu verstehen.“[Stadt-Anzeiger 16.4.1927a]

Die Lautsprecheranlage im Dom
„[…] Es sind durchweg trichterlose Lautsprecher, sogenannte Blatthaller, mit einem sehr feinen Membranempfinden, die nicht nur die Predigt klar verstehen lassen, sondern auch die persönliche Klangfärbung der Stimme wiedergeben. Eine Nebenwirkung, ein etwas verwischendes Hallen, ergibt sich nur, wenn der Dom nicht ganz gefüllt ist. […] Das Domkapitel hat sich sehr zufrieden über die neue Anlage ausgesprochen und da bei der endgültigen Anlage die Lautsprecher fast unsichtbar in die Säulen und Profile eingebaut werden können, dürfte wohl niemand da sein, der Bedenken gegen diese Einrichtung hat. Das Mikrophon, das den Schall aufnimmt, befindet sich an der Kanzel über dem Haupt des Predigers. […] Eine große Schalttafel ermöglicht das Einstellen der einzelnen Lautsprecher, das sich ganz nach dem Bedarf richtet.“ [Stadt-Anzeiger 16.4.1927b]

„Über Bau und Anwendung von Großlautsprechern“ – Erkenntnisse der Tests im Kölner Dom

schmaler Blatthaller
Blatthaller in schmaler Ausführung von Siemens & Halske (Fischer/Lichte 1931, Abb. 155).
In einem am 17.5.1927 im Elektrotechnischen Verein gehaltenen Vortrag „Über Bau und Anwendung von Großlautsprechern“ teilt der seit Anfang der 1920er Jahre bei Siemens & Halske arbeitende Elektroakustiker Ferdinand Trendelenburg die Einsatzorte für Großbeschallungsanlagen in einfache mit normaler Akustik und solche mit „ausgesprochener Überakustik“ ein, bei denen sich eine elektroakustische Beschallung weit schwieriger gestalte. Als Beispiel für solch problematische Räume führt er unter anderem den Kölner Dom an:

„Einen anderen großen und wohlgelungenen Versuch möchte ich hier auch noch kurz erwähnen: es ist uns gelungen, in akustisch so außerordentlich schwierigen Räumen wie dem Kölner Dom das Problem der Sprachverstärkung zu lösen. Die Versuchsanlage, die Ende Februar und während der Ostertage im Kölner Dom eingesetzt war, wurde zunächst nur in der südlichen Hälfte des Domes und im Chor eingebaut. An der Kanzel hing das zur Aufnahme verwendete Kondensatormikrophon; im Mittelschiff, den südlichen Seitenschiffen, im Querschiff und im Chor waren 11 Lautsprecher verteilt, die die Worte des Predigers wiedergaben. Als Lautsprecher wurde eine besonders schmale und langgestreckte Ausführungsform des Blatthallers eingesetzt; diese paßte sich einerseits leicht in die Profilierung der Säulen ein, anderseits [sic] verursachte ihre geringe Ausdehnung in der einen Richtung eine sehr gleichmäßige Schallverteilung in der zu dieser Richtung senkrechten Ebene, während durch die erhebliche Ausdehnung in der anderen Richtung die Schallstrahlung in eben diese Ebene zusammengedrängt wurde. Das auf diese Weise erzeugte Schallfeld war von großer Homogenität, nahezu unmerklich griffen die Wirkungsbereiche der einzelnen Lautsprecher ineinander über. In allen mit Lautsprechern ausgerüsteten Teilen des Domes konnte Wort für Wort der Predigt verstanden werden.

Hochfrequenz-Mikrofon
Kondensatormikrofon von Riegger. Abb. 2. und 3 aus [Schumann in: ETZ 10 1926]
Zur Besprechung der erwähnten Großlautsprecheranlagen wurde neben dem verbesserten Bändchenmikrophon vorzugsweise das Kondensatormikrophon von H. Riegger verwendet, das sich wegen seiner guten akustischen und elektrischen Eigenschaften zur Aufnahme von Sprache und Musik ebenso vorteilhaft verwenden läßt wie zu akustischen Messungen.“ [Trendelenburg in: ETZ 46 1927, 1691]