Auszug aus „Lautübertragungsanlagen bei Massenveranstaltungen“ – AEG 1931

„Eine Reihe interessanter Lautübertragungsanlagen bei Massenveranstaltungen wird an Hand von Bildern beschrieben.
Für den erfolgreichen Verlauf von Massenveranstaltungen im Freien oder in Sälen ist es von größter Wichtigkeit, daß alle Teilnehmer den Ausführungen der Sprecher mühelos folgen und die Darbietungen auch auf den weitest entfernten Plätzen in voller Klarheit hören können. Das ist ohne eine elektrische Lautübertragungsanlage kaum möglich. Die Technik der Lautübertragung steht oft vor recht schwierigen Aufgaben, zu deren Lösung eingehende Erfahrungen auf diesem Sondergebiet notwendig sind. Die AEG war eine der ersten Firmen in Deutschland, die Lautübertragungsanlagen ausführte. In den letzten Jahren hat sie ihr besonderes Interesse Großlautsprecher-Anlagen zugewendet. So hat die AEG bei zahlreichen Massenveranstaltungen, wie sie Politik, Sport, Tagungen kirchlicher und weltlicher Vereine usw. mit sich bringen, Lautübertragungsanlagen größten Umfanges errichtet. Im folgenden werden aus den genannten Anwendungsgebieten einige der interessantesten Lautsprecheranlagen und ihre Wirkungsweise erläutert.

Beim Stapellauf des Panzerkreuzers ‚Deutschland‘ am 19. Mai 1931 diente eine an der Helling der Deutschen Werke in Kiel errichtete AEG-Lautsprecheranlage dazu, die Festreden und die Darbietungen der Marinekapelle den sechzigtausend Zuschauern während der Tauffeier zu Gehör zu bringen. Hierzu waren mehrere Mikrophone, zwei Kraftverstärker und acht elektrodynamische Großlautsprecher erforderlich. Hiervon wurden vier in Schallschirme eingebaute Lautsprecher unterhalb der Taufkanzel angeordnet, während rechts und links der Helling je zwei mit Exponentialtrichtern (Bild 1) versehene Lautsprechersysteme gestaffelt und auf besonderen Gerüsten an akustisch günstigen Punkten aufgestellt waren. Diese Verteilung war erforderlich, damit unerwünschte Schallreflexionen an den glatten Flächen des Schiffes und den Glaswänden der umgebenden Werftgebäude auf ein Mindestmaß herabgesetzt wurden. Da außerdem mit ungünstigen Windverhältnissen während der Feierlichkeit gerechnet werden mußte, war eine genügende Kraftreserve (60 Watt unverzerrte Ausgangsleistung) vorgesehen.

Bei einer anderen, sehr großen Massenveranstaltung im Freien, dem Katholikentag 1930, der in Münster auf einem weiten Freigelände 120000 Teilnehmer zusammenführte, fand ebenfalls eine AEG-Lautübertragungsanlage Verwendung ([FN:] AEG-Mitteilungen 1930, Heft 11, S. 716). Bei der Planung dieser Anlage war die besondere akustische Beschaffenheit des Platzes, der zum Teil mit starkem und hohem Baumbestand besetzt war, zu beachten. Ferner sollten die Teilnehmer nicht nur den Reden zuhören, sondern sich in wechselseitigem Zusammenwirken mit dem Organisten und den Geistlichen an der Feier, vor allem bei der Liturgie, beteiligen. Um bei dem Gesang ein einwandfreies Zusammenwirken der Menge mit dem Organisten, der sich in der etwa 1 km entfernten Unterwasserkirche befand, zu erzielen und den Verlauf der Feier wie vorgesehen, zu sichern, wurde im Kirchenraum neben der Orgel ein Kontrollautsprecher aufgestellt, der es dem Organisten ermöglichte, den Gesang der Masse zu verfolgen und sein Spiel entsprechend einzurichten.

In kleinerem Maßstabe vollzog sich die Marienkundgebung katholischer Verbände am 10. Mai 1931 auf dem Neumarkt in Köln (20000 Teilnehmer), zu der die AEG eine 30 W- und eine 7 W-Anlage mit fünf Großlautsprechern zur Verfügung stellte. Die Verstärker sowie das Mikrophon für den Festredner hing im Chorrundgang der St.-Apostelnkirche (Bild 2), da der Festplatz von hier aus gut zu übersehen war. Das zweite Mikrophon stand innerhalb der Kirche auf der Orgelbühne zur Aufnahme der Worte des Sprechchores und des Orgelspiels. Die Lautsprecher waren auf dem Dache eines in der Nähe der Kirche gelegenen Hauses montiert.

Eine andere, ebenfalls in Köln aufgestellte Lautübertragungsanlage wurde am 12. Juni 1931 für die Einweihung der Ford-Automobilfabrik in Betrieb genommen. Durch sie sollten sowohl das vor der Fabrik befindliche Freigelände als auch die Innenräume des Werkes akustisch versorgt werden. Drei mit Schallstrahlern versehene Großlautsprecher-Systeme waren auf dem Dache der Fordfabrik aufgestellt (Bild 3). Ein vierter Lautsprecher mit Schallwand hing über dem Haupteingang. Diese Lautsprecher erhielten ihre Sprechleistung von einem 30 W-Verstärker. Für die Fabrikinnenräume im Erdgeschoß und im ersten Stock waren zwei 7,5 W-Verstärker mit insgesamt 20 Gealion-Lautsprechern vorgesehen. Diese waren an den Längswänden der großen Fabrikhallen neben den Wandertischen gleichmäßig verteilt und an jedem zweiten Pfeiler angebracht (Bild 4). Die weitgehende akustische Unterteilung der Fabrikräume war zum guten Verstehen des gesprochenen Wortes unbedingt erforderlich. Für das Mikrophon waren verschiedene Anschlußstellen vorgesehen. Die Anlage diente in der Hauptsache dazu, Ansprachen und Musikdarbietungen den etwa 100000 Festgästen und der Belegschaft der Fordwerke zu Gehör zu bringen. Außerdem erwies sie sich als ausgezeichnetes Hilfsmittel für die Verkehrsreglung, da sie Fahrbefehle auf eine Entfernung bis zu 3 km zu geben ermöglichte und dadurch eine reibungslose Anfahrt von 10000 Wagen sicherte.

Bei Massenveranstaltungen in großen geschlossenen Räumen hat die AEG mit Übertragungsanlagen die akustischen Schwierigkeiten stets in zufriedenstellender Weise überwunden.
Unter diesen Einrichtungen ist in erster Reihe die Übertragungsanlage zu erwähnen, die im Zirkus Busch, Berlin, gelegentlich der dritten Gemeindebeamten-Tagung im November 1930 eingerichtet wurde. Von der Decke der Zirkuskuppel hingen viele Kulissen, Stoffbehänge, akrobatische Geräte u. dgl. herab, die eine starke Raumdämpfung verursachten. Diese bedingte eine große Verstärkerleistung (30 W). Die Lautsprecher wurden, dem Innenaufbau des Zirkus entsprechend, an dem Beleuchterrundgang aufgehängt, der sich in halber Höhe des Gebäudes befindet (Bild 5). Außerdem wurde noch im größten Restaurationssaal ein Lautsprecher aufgestellt, damit die wegen Überfüllung des Rundbaues hier untergebrachten Teilnehmer ebenfalls den Reden folgen konnten. Vor dem Rednerpult am Vorstandstisch standen zwei Mikrophone, um auch die Redner, die von hieraus sprachen, lautstark und zusammenhängend zu Gehör zu bringen. An dieser Tagung nahmen etwa 7000 Personen teil.

Größer als im Zirkus Busch waren die Anforderungen an die AEG-Übertragungsanlage in der Westfalenhalle zu Dortmund, die, ähnlich wie der Berliner Sportpalast, häufig zu großen politischen Kundgebungen herangezogen wird. In diesem Riesenbau ist es auch für einen Redner mit kräftiger Stimme nicht möglich, sein Organ auf die Dauer so klar zur Geltung zu bringen, daß die Teilnehmer den Vorträgen zusammenhängend folgen können. In derartigen Räumen sind deshalb Lautübertragungsanlagen eine unbedingte Notwendigkeit geworden. Bei einer politischen Massenversammlung in der Westfalenhalle wurden die Lautsprecher in sechs bewegliche Holztürme eingebaut, die im Parkett aufgestellt wurden (Bild 6). Eine Anordnung der Lautsprecher an den Spannbögen des Deckengewölbes hat sich wegen zu großen Nachhalls nicht bewährt. Es folgt die Beschreibung von vier Übertragungsanlagen, die bei sportlichen Veranstaltungen im Freien Aufstellung fanden.

Bei dem 8. Westfälischen Kreisturnfest zu Hamm viel der AEG-Lautsprecheranlage die Aufgabe zu, zwei voneinander getrennte Gelände, die Jahn-Kampfbahn und den Großen Exerzierplatz, akustisch zu beherrschen (Bild 7). Hierzu befanden sich auf beiden Plätzen je zwei elektrodynamische, mit Schallstrahlern ausgerüstete Lautsprechersysteme. Trotz der akustischen Schwierigkeiten infolge der weiten Ausdehnung des Geländes wurden den Turnern und Zuschauern, zeitweise etwa 20000 Personen, alle Mitteilungen klar und deutlich zu Gehör gebracht.

Ebenso gewährleistete eine 90 W-AEG-Übertragungsanlage mit zwölf Großlautsprechern bei der Austragung der 4. Internationalen Studenten-Olympiade vom 1. bis 10. August 1930 auf dem Hochschulstadion in Darmstadt (Bild 8) die einwandfreie Abwicklung der Veranstaltung. Als besondere Eigenart dieser Anlage, die neuerdings fest eingebaut ist, sind die zahlreichen, auf den verschiedenen Kampfbahnen – wie Schwimmbad, Laufbahnen, Fußballplatz usw. – vorgesehenen Besprechungsstellen zu erwähnen. Die während der Einzelveranstaltungen aus nächster Nähe der Kämpfenden in ein Mikrophon gesprochenen Darstellungen ermöglichen auch den weiter entfernten Zuschauern das Verfolgen und das Verständnis der Vorgänge. Alle zwölf Lautsprecher sind wettergeschützt und in zweckmäßiger Anordnung im Sprungturm untergebracht.

Auch bei dem Wintersport macht man immer mehr von Lautübertragungsanlagen Gebrauch. Bei dem diesjährigen Skirennen auf dem Feldberg im Schwarzwald gab eine AEG-30 W-Anlage (Bild 9) der Sportleitung die Möglichkeit, alle interessanten Einzelheiten und Ereignisse des Kampfes den etwa 2000 Zuschauern bekanntzugeben.
Der Kraftverstärker K 3 mit Maschinensatz war unterhalb der Zuschauertribüne untergebracht. Der Zum Betrieb der Maschine erforderliche Gleichstrom mußte von einem 200 m entfernten Pumpenhaus des Feldberger Hofes abgezweigt werden. Die vier Lautsprecher waren in Schallschirme eingebaut und paarweise auf der Fläche verteilt. Die Lautsprecher-Zuleitungen wurden als Freileitungen ausgeführt. Das Mikrophon war dicht neben der Sprungschanze aufgestellt. Die Mikrophonleitung nach dem Verstärker mußte in einen im Schnee eingegrabenen Kanal verlegt werden, da eine andere Verlegungsart infolge der besonderen örtlichen Verhältnisse nicht möglich war.

Bei dem im Mai 1931 auf dem Flugplatz in Düsseldorf (Bild 10) abgehaltenen Gildehof-Flugtag diente ebenfalls eine AEG-Übertragungsanlage der Unterrichtung und Unterhaltung der Gäste. Das große, völlig flache Fluggelände, das keine schallabsorbierenden Baumgruppen u. dgl. aufweist, gestattete, sechs Lautsprecher, die ihre Schalleistung von einem 30 W- und einem 7 W-Verstärker erhielten, zusammengefaßt auf einem besonders hierfür vorgesehenen Gerüst aufzustellen. Um den in der Nähe befindlichen Besuchern ebenso gute Übertragung wie den weiter entfernt Stehenden zu vermitteln, wurde ein Teil der Lautsprecher in Schallschirme eingebaut, der andere Teil mit Exponentialtrichtern ausgerüstet.

Zuletzt sei noch eine Übertragungsanlage bei einer Massenveranstaltung von etwa 8000 Teilnehmern beschrieben, bei der es neben der gewünschten Verstärkung darauf ankam, eine künstlerisch vollkommen einwandfreie, auch unter Berücksichtigung aller musikalischen Feinheiten, durchaus originalgetreue Wiedergabe zu erzielen. Am 9. und 10. Mai 1931 fand in der großen Ausstellungshalle V in Essen (Bild 11) ein Wertungsingen des Rheinisch-Westfälischen Sängerbundes statt. Neben der Durchgabe der Wertungsergebnisse wurden auch gesangliche Darbietungen durch das Mikrophon aufgenommen und dem Publikum sowie den Preisrichtern durch Lautsprecher übermittelt. Auch bei dieser schwierigen Aufgabe hat die AEG-Musikübertragungsanlage bewiesen, daß durch mechanische Wiedergabe ein hoher künstlerischer Genuß erreicht werden kann.“ [Geuter in: AEG Sonderdruck 1931]